Vom Kunden zum Kassierer - besser bekannt als Self Scanning - Self Checkout

Kennen Sie das Gefühl? Sie stellen sich an der Kasse an und stellen fest, dass überall „Kasse geschlossen“ steht. Dann werden Sie von einem Mitarbeiter an die Self-Checkout Maschinen verwiesen. Hallo Kunde - willkommen in der Servicewüste.

Als Marken- und Marketingenthusiastin gehört es zu meinen Aufgaben, Markenerlebnisse zu schaffen, welche Markenwerte transportieren und einen wertvollen Beitrag zur Stärkung des Image leisten. Diese irritierende Erfahrung im Detailhandelsladen hat mich nicht losgelassen und den Grundstein zu diesem Artikel gelegt.

Vom Kunden zum Kassierer - besser bekannt als Self Scanning - Self Checkout

Die Idee des Self-Scanning ist ja eigentlich nicht ganz neu. Die Migros startete bereits im Jahre 1965 ein erstes Pilotprojekt in Zürich. Die Zeit war wohl dafür noch nicht reif, die Kunden haben das Konzept nicht angenommen. Gut 60 Jahre später sieht das nun ganz anders aus.

Im Zuge der Digitalisierung und der technologischen Entwicklung scheinen die Hürden gefallen zu sein. In immer mehr Läden werden Self-Scanning und Self-Checkout Geräte installiert. Die neuen Möglichkeiten werden den Kunden als die Zeit- und somit auch als Kostenersparnis schmackhaft gemacht. Das dies zutrifft mag sein, die Frage ist jedoch für wen?

Fakt ist: Der Kostendruck und der starke Wettbewerb im Detailhandel lässt die Unternehmen nach Rationalisierungspotenzialen im Prozess suchen. Gemäss einem FAZ-Artikel aus dem Jahre 2009, machen die Kassenbereiche 25-30% der gesamten Personalkosten aus. Somit sind Self-Scanning-Systeme für den Handel ökonomisch attraktiv. Das es sich hier lohnt sie einzusetzen, liegt auf der Hand. Zeitersparnis für den Kunden scheint aber ein Mythos zu sein, denn der Kunde benötigt gemäss neueren Messungen etwa viermal solange wie eine KassiererIn.

Auf den ersten Blick ein klares Ja für die Self-Scanning-Systeme aus Sicht der Retailer. Mit Blick auf das Gesamtbild relativiert es sich das Ja jedoch wieder. Werfen wir doch mal einen Blick in eine Branche, welche diese Entwicklung bereits durchgemacht hat: die Banken.

Längst gehören die Tage der Vergangenheit an, als wir für unsere Bank-Geschäfte in die eindrücklichen Marmorhallen eintraten, welche Vertrauen, Zuverlässigkeit und Sicherheit ausstrahlten. Nebst der Erledigung unserer Ein- und Auszahlungen wurden nette Worte mit der uns bekannten BankmitarbeiterIn gewechselt und so das Vertrauensverhältnis gestärkt. Die Markenwerte wurden durch die imposanten Bauten, der aufmerksamen Mitarbeiter an den Schalter und der Selbstverständlichkeit von Serviceleistungen geprägt und kongruent an allen Touchpoints erlebbar gemacht. Davon ist heutzutage wenig zu spüren. Heute unterscheiden sich Banken für den Kunden nur noch durch Farbe und Logo an den standardisierten Geldautomaten, Online Banking Portalen und Banken-Apps.

countervsatmWas ist nur passiert? Durch den Einzug der Bankomaten wurde das Personal abgebaut und die persönliche, vertrauensvolle Beziehung durch eine Maschine ersetzt. Die aufwendig inszenierten Bankhallen wurden schliesslich durch anonyme Multifunktionshallen mit Geldautomaten ersetzt welche durch Kameras vor Vandalismus und Missbrauch als Notschlafstelle geschützt werden. Das Resultat ist die deutliche Abwertung der Touchpoints, gerade dort wo die allgegenwärtigen Markenwerte jeder einzelnen Bank individuell erlebbar waren. Die Nutzung derselben Technologie an den Touchpoints hat die Kundenerlebnisse weitgehend vereinheitlicht. Die Erosion der Markenwerte nimmt seinen Gang und Marken verkommen hierbei zu reinen Logos. Dies führt zur Abwertung der Kundenbeziehungen und somit auch der Austauschbarkeit von Produkten und Dienstleistungen und letztendlich dem Dienstleister selber. Heute wird oder muss mit aufwändigen Kundenbindungsmassnahmen wie Kunden-Clubs, Eventeinladungen und Sponsoringaktivitäten das Verlorengegangene wieder kompensiert werden.

Da stellt sich die Frage ob man im Retail-Business sich diesem Risiko bewusst ist? Werden hier die grossen Anstrengungen der Aufwertung von Frische-Abteilungen, wo man Markt-Atmosphäre schaffen möchte, durch den Self-Service zu Nichte gemacht? Interessiert es den Kunden noch ob das Coop oder Migros Schild an der Türe steht, wenn praktisch der einzige Unterschied das Logo auf dem Scanning Gerät ist? Geht hier nicht ein äusserst wertvoller Touchpoint zum Kunden verloren? Werden dadurch die Versprechen der Retailer, zu reinen Worthülsen? Bleibt die stringente Markenführung, die auf langfristiger Entwicklung aufbaut, zugunsten von kurzfristigen ökonomischen Optimierungen auf der Strecke?

Das folgende Zitat von Albert Einstein ist mir zufällig in die Hände gekommen, welches ich in diesem Kontext spannend finde.

"Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere menschlichen Interaktionen übertrifft. Die Welt wird eine Generation von Idioten bekommen.“ (Albert Einstein).

Der Markenstern wird die weiteren Entwicklungen im Bereich des Self-Scanning und Self-Checkout im Auge behalten.

 

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Autorin

Gülbin Erogul

Gülbin Erogul

Gülbin Erogul - Gründerin und Inhaberin vom Markenstern.ch Blog befasst sich seit Jahren beruflich wie Privat mit Marken und Marketing. Im 2014 hat sie Ihren Master in Brand und Marketing Management an der HSLU in Luzern abgeschlossen.

"Mit meinem Markenstern habe ich mir einen langersehnten Wunsch erfüllt, einen Platz zu schaffen für die Welt der Marken und des Marketings."

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